Deutschland sparte 23 Prozent Erdgas ein, IEA warnt weiter vor knappem Angebot

In Deutschland ging in der zweiten Hälfte 2022 der Gasverbrauch um fast ein Viertel zurück. Die Internationale Energieagentur warnt vor LNG-Knappheit.

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(Bild: RWE Gas Storage West)

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In Deutschland wurde im zweiten Halbjahr 2022 insgesamt 23 Prozent weniger Erdgas verbraucht, als nach Berechnungen eines Forschungsteams zu erwarten gewesen wäre, wenn es keine Krise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine gegeben hätte. Dabei habe die Industrie bereits im September 2021 begonnen, den Verbrauch zu reduzieren, während die Kleinverbraucher damit im März 2022 anfingen, ergibt eine Studie des Centre for Sustainability der Hertie School in Berlin, die in der Fachzeitschrift Nature Energy erschienen ist. Das Forschungsteam hebt hervor, im Gegensatz zu anderen Studien zu diesem Thema temperaturbedingte Schwankungen in seinem Rechenmodell berücksichtigt zu haben.

Die deutsche Industrie habe im Herbst zunächst ihren Verbrauch um 4 Prozent gesenkt und die Einsparungen auf 27 Prozent erhöht, heißt es in der Studie. Kleinverbraucher fingen kurz nach Beginn der russischen Invasion in die Ukraine mit dem Sparen an, die relativen Einsparungen erreichten im September 2022 mit 28 Prozent ihren Höhepunkt. Der Erdgasverbrauch korrelierte dabei mit den steigenden Gaspreisen, schreiben die Forscher. Die in Deutschland eingeführten Preisbremsen könnten also dazu führen, dass der Verbrauch wieder ansteigt und damit auch die Energiepreise.

Politische Entscheidungen und das relativ günstige Wetter hätten seit Anfang 2023 dafür gesorgt, dass der Druck auf die Gasmärkte nachgelassen habe, schreibt die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem jüngsten Gasmarktbericht. Bis Ende des ersten Quartals 2023 waren die Preise für Gas in Europa und LNG in Asien unter die Niveaus des Sommers 2021 gefallen.

Die IEA geht davon aus, dass weltweit im vergangenen Jahr 1,5 Prozent des Gasverbrauchs eingespart wurden, ähnlich wie im Jahr 2020 infolge der Lockdowns wegen der Coronavirus-Pandemie. Eingespart worden sei vor allem in den wichtigsten europäischen und asiatischen Märkten.

Durch die rückläufige Nachfrage nach Erdgas musste in Europa und in den USA weniger Gas ausgespeichert werden. Dadurch waren die Gasspeicher am Ende der jüngsten Heizsaison stärker gefüllt als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Deshalb müsse im kommenden Sommer weniger eingespeichert werden; in Europa etwa die Hälfte dessen, was im Jahr 2022 eingespeichert wurde, um die Speicher zu 90 Prozent zu füllen.

Diese günstigen Aussichten seien aber keine Garantie, dass es künftig keine Schwankungen geben werde, schreibt die IEA. Das weltweite Gasangebot werde auch 2023 knapp bleiben, hinzu kommen mögliche widrige Wetterbedingungen wie ein trockener Sommer oder ein kaltes viertes Quartal.

Zudem könnten die noch laufenden russischen Gaslieferungen in die EU, die bisher schon um 80 Prozent geringer waren als vor der Krise, weiter zurückgehen. Laut Prognosen könne das weltweite LNG-Angebot im Jahr 2023 um 4 Prozent steigen, das würde nicht ausreichen, um die erwarteten verringerten Lieferungen aus Russland auszugleichen.

In Europa insgesamt sind die Gasspeicher momentan zu 60,5 Prozent gefüllt, in Deutschland zu 67,4 Prozent, geht aus der aktuellen Statistik der Infrastrukturbetreiber Gas Infrastructure Europe (GIE) hervor. "Die aktuellen Füllstände der Speicher sind vergleichbar mit dem Jahr 2019 und deutlich höher als im Frühjahr der Jahre 2018 und 2021", teilt die Bundesnetzagentur mit. Um die Gasversorgung für den kommenden Winter zu sichern, muss gesetzlich vorgesehen bis zum 1. September ein Speicherfüllstand von 75 Prozent erreicht werden.

Vor diesem Hintergrund bleibt die im Juni 2022 vom Bundeswirtschaftsministerium ausgerufene Alarmstufe des Notfallplans Gas bestehen. Das sei wegen weiterer Vorsorge erforderlich, heißt es aus dem Ministerium. Auch auf EU-Ebene wurde die EU-Gas-Einsparverordnung bis Ende März 2024 verlängert.

(anw)