Kindesmissbrauch: Unionspolitiker wollen anonyme Chats untersagen

Kinderschutzpolitiker von CDU/CSU in den Ländern fordern, die Teilnahme an WhatsApp & Co. an eine deutsche, namentlich registrierte Mobilfunknummer zu knüpfen.

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(Bild: Syda Productions/Shutterstock.com)

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Das Internet ermögliche es Fremden, "sich hinter einem Computerbildschirm und gefälschten Identitäten" zu verstecken. Dies biete ihnen "einen einfachen und anonymen Zugang zu Kindern und Jugendlichen", schlagen die kinderschutzpolitischen Sprecher von CDU und CSU aus allen Bundesländern in einem Ende vergangener Woche veröffentlichen Positionspapier Alarm. Analog zur "realen Welt" müssten daher auch im Netz "Schutz- und Sicherheitsmechanismen implementiert sein".

Nutzer von Messaging-Diensten wie WhatsApp, Signal, Threema oder Telegram sollten daher laut dem Appell aus der Unionsfraktion "beispielsweise nur am Chatgeschehen teilnehmen können", wenn sie über eine deutsche Mobilfunknummer ("+49") registriert sind. In Deutschland existiere eine Identifizierungspflicht beim Erwerb neuer SIM-Karten, heißt es zur Erläuterung. Der Ansatz würde es so Strafverfolgungsbehörden in der Regel ermöglichen, Täter zu ermitteln. Gleichzeitig werde deren Hemmschwelle erhöht. Pseudonyme innerhalb von Chats sollten aber weiterhin zulässig sein.

Der hiesige Identifizierungszwang beim Kauf von Mobilfunkkarten ist heftig umstritten. Bürgerrechtler führen ins Feld, dass Anonymität essenziell sei etwa für Whistleblower, die anonyme Äußerung unliebsamer Meinungen im Internet und für die vertrauliche Koordination politischer Proteste.

Die 2004 ins Telekommunikationsgesetz (TKG) zunächst eingefügte Pflicht für Mobilfunkbieter, beim Kauf von Prepaid-Produkten persönliche Daten wie Name, Anschrift oder Geburtsdatum von Kunden zu erheben, verletzt laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aber nicht die Grundrechtecharta. Eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen die 2016 zusätzlich eingeführte Ausweispflicht beim Erwerb sämtlicher Handykarten ist noch anhängig.

Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte im Rahmen der jüngsten TKG-Novelle auf eine weitergehende Online-Ausweispflicht durch die Hintertür gedrängt. Telekommunikationsanbieter sollten demnach verpflichtet werden, "Identifizierungsmerkmale zu erheben, zu verifizieren und im Einzelfall den Sicherheitsbehörden zur Verfügung zu stellen". Damit konnte sich der CSU-Politiker letztlich aber nicht durchsetzen.

Laut den Unionspolitikern sollen Messaging-Dienstleister ihre Systeme zudem darauf ausrichten, dass Eltern für ihre minderjährigen Kinder bürgen. Nötig werden könnte etwa eine Bestätigung der Erziehungsberechtigten, "dass die Teilnahme an Chats oder das Herunterladen einer App 'in Ordnung' ist". Zu erreichen wäre dies durch einen verifizierten Eltern-Account. Mögliche Optionen dafür wären "das Post-Ident-Verfahren, das Hinterlegen des Personalausweises oder ein Videoanruf".

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) mit seinen Berichtspflichten zum Umgang mit "Hasskriminalität" und anderen strafbaren Inhalten wie sexueller Belästigung soll dem Papier zufolge weiter verschärft werden. Erfasst werden müssten demnach schon soziale Netzwerke, die 10.000 registrierte Nutzer haben. Bisher liegt die Schwelle bei zwei Millionen Mitgliedern. Die Kinderschützer monieren, dass so aktuell "zahlreiche Anbahnungsversuche einer Straftat" auf kleineren Plattformen wie Knuddels nicht erfasst würden. Unters NetzDG sollen zudem Gruppen in Messenger-Diensten sowie etwa Plattformen für Pornografie fallen, "auf denen sich Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen finden können".

Erwartungsgemäß drängen die Sprecher von CDU/CSU auch darauf, die hierzulande derzeit ausgesetzte Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung zu reaktivieren. Dabei sollte aber ausdrücklich nicht allumfassend protokolliert, "wer, wann, welche Webseite besucht hat". Ermöglicht werden müsse aber im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs "zum Zwecke der Strafverfolgung die Abfrage von IP-Adressen und deren Zuordnung zu einem konkreten Gerät, um anschließend zu prüfen, welche Person bei einem konkreten Verdachtsfall" dieses genutzt habe.

Die Unionsexperten waren zuvor erstmals in Düsseldorf zu einer gemeinsamen Klausurtagung zusammengekommen und hatten sich beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen gemeinsam über den Stand der Ermittlungen gegen sexuellen Kindesmissbrauch in Deutschland informiert. Dabei sollen sie mit den Fahndern auch ins Darknet gegangen sein. "Die Betroffenheit war riesig", sagte die nordrhein-westfälische Kinderschutzsprecherin Christina Schulze Föcking (CDU) der Rheinischen Post.

(olb)