Nacktfotos: Bundestag entkriminalisiert Schulhof- und Warnfälle

Die Abgeordneten haben eine Reform des 2021 massiv verschärften Sexualstrafrechts beschlossen. Einige Verfahren können damit bald wieder eingestellt werden.

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(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Gruppe Die Linke hat der Bundestag am Donnerstagabend einen Gesetzentwurf verabschiedet, mit dem die 2021 von der Großen Koalition massiv aufgebohrten Vorschriften rund um "Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte" größtenteils wieder entschärft werden. Es geht dabei um Paragraf 184b Strafgesetzbuch (StGB).

Anliegen der Novelle vor drei Jahren war es, auch die mittelbare Förderung des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch die Verbreitung entsprechender Darstellungen schärfer zu sanktionieren. Der Gesetzgeber stufte dazu nahezu alle in der Vorschrift enthaltenen Varianten zu einem Verbrechen mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr hoch. Staatsanwälte müssen seitdem jeden noch so kleinen Fall vor Gericht bringen. Damit soll nun Schluss sein.

Mit dem Gesetzentwurf zur Anpassung der Mindeststrafen von Paragraf 184b bleibt die Erhöhung des Strafrahmens auf zehn Jahre Freiheitsstrafe für schwere Fälle des Erwerbs, der Verbreitung oder des Besitzes von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs zwar erhalten. Zugleich eröffnet das Parlament den Strafverfolgungsbehörden aber erneut die Möglichkeit, in jedem Einzelfall angemessen auf einschlägige Verfahren zu reagieren. Wenn der Tatvorwurf am unteren Rand der Strafwürdigkeit liegt, können Gerichte so wieder eine niedrigere Strafe als ein Jahr Haft verhängen. Das Strafmaß für den Kauf oder die Verbreitung einschlägiger Bilder oder Videos wird auf sechs Monate herabgestuft, der Besitz auf drei Monate. Zudem wird es möglich, Verfahren nach den Paragrafen 153 und 153a Strafprozessordnung (StPO) einzustellen oder anderweitig zu erledigen.

Auf Empfehlung des Rechtsausschusses hin hat der Bundestag noch eine Folgeänderung im Paragrafen 127 StGB zum "Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet" beschlossen. Sie soll sicherstellen, dass auch die zum Vergehen herabgestuften Delikte von der Norm erfasst bleiben. Die AfD enthielt sich bei der Abstimmung, die CDU/CSU-Fraktion war gegen die Novelle. Sie drängte darauf, nur bei "Eltern- oder Warnfällen", Taten von Jugendlichen und niederschwellige Fällen wie dem Besitz eines Posing-Bildes eine "Privilegierung auf Tatbestandsebene" zu schaffen und so die Strafverfolgung dafür beenden zu können. Zuvor hatte aber etwa auch Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) darauf verwiesen, dass es sich bei über 40 Prozent der zunächst ausgelösten Ermittlungswelle um "Schulhof-Fälle" handle.

Bislang drohte etwa Eltern, denen kinderpornografisches Material ungewollt in einer größeren WhatsApp-Eltern-Gruppe zugesandt wurde, eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, begründete Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) die neue Reform. Vergleichbares gelte auch bei Lehrern, die bei Schülern solches Material auf dem Handy entdecken und es weitergeleitet haben, um betroffene Eltern zu alarmieren. Ein solcher Fall sorgte voriges Jahr für Aufsehen, der Prozess gegen eine Lehrerin läuft. Buschmann betonte, man folge mit der Initiative auch dem dringenden Wunsch von Strafverfolgern, Staatsanwälten und Gerichten sowie der Landesjustizminister.

(fds)