Quo Vadis 2008 in Berlin: Spieleentwickler zwischen Politik und Bankschalter

Die Gamestage geben Gelegenheit, sich nach Kooperationspartnern in der Branche umzusehen. Die in diesem Rahmen stattfindende Entwicklerkonferenz "Quo Vadis" befasst sich in Workshops und Vorträgen mit Technik, Medienpolitik und dem lieben Geld.

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Von
  • Nico Nowarra

Seit dem 6. Mai tagen in Berlin 570 Game-Designer, Animationskünstler und Medienexperten bei der sechsten Quo Vadis, einer von den Berliner Aruba Studios mit Unterstützung des Bundesverbands G.A.M.E. im Rahmen der Deutschen Gamestage veranstalteten Entwicklerkonferenz rund um Computer- und Videospiele. Dabei kommen nicht zuletzt auch klassische Anliegen des Verbands zur Geltung, was etwa die gesellschaftliche Anerkennung digitaler Spiele als Kulturgut betrifft sowie den Wunsch, dass Entwicklungsarbeit in Deutschland ähnlich wie Filmschaffen öffentlich gefördert werden soll. Bis zum morgigen Freitag, dem 9. Mai, findet ein täglich wechselndes Programm aus Workshops und Vorträgen statt.

Bei der Eröffnung gab es überraschend sanfte Töne von politischer Seite, wenn auch leider nicht von einflussreichen Familien- oder Innenpolitikern. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, erfreut über die bereits zum zweiten Mal in seiner Stadt gastierende Branchenveranstaltung, wies in einer schriftlichen Grußbotschaft auf die wachsende Bedeutung des Spielegeschäfts insbesondere als Motor für Innovationen hin. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär ließ sich sogar zu der Äußerung hinreißen, dass im Ausschuss für Kultur und Medien, dem sie angehört, schon lange nicht mehr von "Killerspielen" die Rede sei, sondern Computerspiele vielmehr als Kulturgut verstanden würden – das gelte auch für die amtierende Bundesregierung.

Solch ungewohnter Kuschelkurs mit den Spieleentwicklern mutet vor allem hinsichtlich der für den heutigen späten Nachmittag anstehenden Abstimmung im Bundestag über eine Verschärfung des Jugendschutzgesetzes fast schon zynisch an. Nach dem Willen der ebenfalls zur CDU gehörenden Familienministerin Ursula von der Leyen sollen dann unter anderem größere Kennzeichnungen für die Alterseinstufung auf allen Verpackungen von Trägermedien für Spiele stehen, auch sollen der Katalog der indizierten Spiele ausgeweitet und "gewaltbeherrschte Spiele" verboten werden.

Inhaltlich hätte man von einer Konferenz dieser Größenordnung durchaus mehr erwarten können als die Pflege lobbyistisch vertretener Interessen. Wer nach Hinweisen auf bahnbrechende technische Trends für die Spiele von morgen und übermorgen suchte, wurde bislang eher enttäuscht. Warum beispielsweise gibt es noch immer keine Forderung mit langen Unterschriftenlisten von Seiten der Spieleentwickler an die Adresse von Grafikhardwareherstellern, dass diese endlich Bézierkurven in 3D-Darstellungen nativ unterstützen, damit die Designer aus der Gefangenschaft des Polygonparadigmas ausbrechen und naturhaft anmutende Formen ohne aufwendige Klimmzüge und ressourcenfressenden Objekte-Overkill gestalten können?

Vorträge über aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, über die Wirkungsforschung in Bezug auf Computerspiele oder über die Zukunft der Onlinespiele sollten vor allem eines erreichen: den Entwicklern neue Wege aufzuzeigen, mit denen sich Käufer und Abonnenten gewinnen lassen. Als echte Luftblase erwies sich der Vortrag über moderne Finanzierungsmodelle für den Games-Bereich. Die Referenten entpuppten sich als Vertreter der Commerzbank und der Berliner Bank, deren Präsentation dann auch nur ein Fazit zuließ: Wer ein bankenfinanziertes Spieleprojekt auf die Beine stellen will, muss bereits Erfolge in der Spielebranche vorweisen können. Andere Faktoren, wie die Größe der Fangemeinde eines Projekts, die Zahl der Anmeldungen für einen Betatest oder die Entwicklung ähnlicher Spiele am Markt gelten als nicht einschätzbar. Michael Gens, Vertreter der Commerzbank dazu: "250.000 Anmeldungen für eine Beta sind nett, aber 25.000 Pre-Orders (Vorbestellungen) sind eine Größe, mit der wir rechnen können." Kleine, innovative Entwickler ohne eigene Finanzkraft, die nicht unter den Fittichen eines großen Branchenvertreters stehen, bleiben also – Quo Vadis hin oder her – weiterhin praktisch chancenlos.

Interessanter erscheinen da schon Förderprogramme, wie sie etwa die "Medienboard Berlin Brandenburg GmbH", Mitveranstalterin der Gamestage, oder das Media-Programm der EU anbieten. Hier werden Gelder auch an kleinere Entwicklerteams vergeben. Allerdings setzen die Förderer in diesen Fällen zumindest eine wirtschaftlich stabile GmbH voraus. Darüber hinaus lassen die knappen Mittel ohnehin nur die Förderung weniger Projekte im Jahr zu. Hoffnung für kleine Entwicklerteams gibt es möglicherweise durch Projekte wie die Cross-Media-Plattform Primehouse, die versuchen, Entwickler, Publisher und Investoren zusammenzubringen. Einig war man sich vor allem bei einer Aussage: Deutschland ist ein Käufer- und kein Entwicklerland.

Spannend wird es noch einmal am heutigen Donnerstagnachmittag, wenn sich das noch relativ junge Wissenschaftsfeld der "Game Studies" den Fachbesuchern vorstellt. Seit gestern tagt zudem an der Universität Potsdam in Kooperation mit dem Forschungsnetzwerk Computerspiel DIGAREC und ebenfalls von den "Quo Vadis"-Betreibern unterstützt der internationale Kongress "The Philosophy of Computer Games", der noch bis zum Samstag, 10. Mai, dauern wird. Die Veranstaltung für Angehörige verschiedener wissenschaftlicher Fachgebiete nimmt Computerspiele aus philosophischer, ethischer, medialer, semiotischer und ästhetischer Perspektive unter die Lupe. Im ihrem Rahmen erlebt das Audimax der Potsdamer Uni morgen ein "Open Worlds Panel" mit einer Keynote des Online-Rollenspiel-Pioniers Richard Bartle, der als Schöpfer des ersten Multiuser-Dungeons (MUD) gilt. (Nico Nowarra) / (psz)