Roboter sortieren, schweißen und fräsen auch in Kleinunternehmen

Beim Abschluss-Workshop des SMErobot-Projekts in Stutgart wurden praktische Anwendungen präsentiert, darunter Roboter, deren Abläufe durch Vormachen programmiert werden können und sich auch für kleine Unternehmen rechnen sollen.

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  • Hans-Arthur Marsiske

"Der Roboter der Zukunft wird programmiert durch Vormachen", sagte Martin Hägele vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) zum Auftakt des zweiten Tages des Workshops in Stuttgart, mit dem das Projekt SMErobot nach vierjähriger Arbeit seinen vorläufigen Abschluss findet. Neue Eingabegeräte und neue Kinematiken sind laut Hägele erforderlich, um Roboter auch in kleineren und mittleren Unternehmen einsetzen zu können. Neben der Programmierung durch Vormachen sollten solche Roboter aber auch vorhandene Daten, etwa CAD oder Prozessdaten, nutzen können. Wie diese Ideen in Zusammenarbeit mit einzelnen Betrieben erprobt wurden, war das Thema der heutigen Vorträge.

Mit einfacher Programmierung sind Roboter auch in kleinen Unternehmen flexibel einsetzbar.

Zuvor erkundete aber Steffen Kinkel vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe die Potenziale von Robotersystemen für den vorgesehenen Anwenderkreis. Für die Studie waren 482 Telefoninterviews mit kleinen und mittleren Unternehmen in ganz Europa geführt worden. Es zeigte sich, dass der Verzicht auf Roboter zumeist mit kleinen Losgrößen, keinen automatisierbaren Prozessen und zu hohen Kosten begründet wurde. Roboter seien zudem zu schwer und unflexibel, auch gebe es nicht das geeignete Personal. Beim Einsatz von Robotern waren allen Befragten integrierte Schutzeinrichtungen am wichtigsten. Kinkel kam zum Ergebnis, dass 6500 bis 11.000 kleinere und mittlere Unternehmen in Europa jährlich in Roboter investieren könnten. Um im Einzelfall herauszufinden, ob sich das auch rechnet, wurde am ISI das Computerprogramm "LCC Tool" entwickelt, mit dem sich die Lebenszykluskosten von Robotern kalkulieren lassen. Denn mit dem Kauf eines Roboters ist es nicht getan: Auch der Betrieb verursacht Kosten.

Kinkel räumte ein, dass die Kosten nicht das einzige Kriterium seien, aufgrund dessen über die Installation eines Roboters entschieden werde. Es gebe auch soziale Auswirkungen. Für die drastischste hatte Kinkel indes nur einen Satz: "Es muss ja nicht immer darum gehen, dass Leute entlassen werden." Ansonsten habe seine Studie überwiegend positive Auswirkungen gefunden, etwa die Verminderung von Belastungen mit unangenehmen, anstrengenden oder gesundheitsgefährdenden Arbeiten. Manche Aspekte, etwa die Absenkung des Qualifikationsniveaus, könnten – je nach Standpunkt – positiv oder negativ bewertet werden.

Vier Refrenten sollten das Potenzial der Robotik dann praktisch veranschaulichen. Jens Hofschulte vom ABB-Forschungszentrum in Ladenburg berichtete von der Entwicklung eines Roboters für den Einsatz in Gießereien. Hier seien große Prozesskräfte in unmittelbarer Nähe von Menschen erforderlich. Ein konventioneller, schwerer Roboterarm wäre da zu gefährlich. Stattdessen wurde ein Leichtbauroboter mit paralleler Kinematik entwickelt, der über große Kraft und hohe Präzision verfügt. Der modulare Aufbau, erklärte Hofschulte, ermögliche die Anpassung an unterschiedliche Aufgaben, ebenso die offene Struktur. Das kritische Element bei dieser Architektur seien die nicht angetriebenen Gelenke gewesen, die extra konstruiert wurden und über eine hohe Steifheit verfügen. Auch staubdichte Führungsschlitten waren für den Einsatz in einer Gießerei erforderlich.

Um die intuitive Programmierung eines Roboters vorzuführen, bediente sich Hofschulte dann aber eines konventionellen, seriellen Roboterarms, bei dem die Gelenke nacheinander angeordnet sind. Hofschulte führte das Werkzeug am Ende des Arms den gewünschten Pfad entlang und gab dabei Sprachbefehle über ein Headset. Ein Headset, wie es in Callcentern verwendet werde, habe in kleinen Gießereien gut funktioniert. Bei stärkeren Störgeräuschen könne man auf bessere Headsets ausweichen. Noch sicherer seien Kehlkopfmikrofone.

Thomas Ledermann präsentierte dann den "Griff in die Kiste". Am Beispiel des Einlegens von Getriebewellen in eine Ultraschall-Prüfstation demonstrierte er einen Arbeitsablauf, der typisch für eine Schmiede sei. Dort käme es darauf an, mit unterschiedlich geformten Bauteilen, die zumeist zwischen fünf und acht Kilogramm wiegen, umgehen zu können. Die Getriebewellen griff sich jetzt ein Comau NJ 130-2.6 Roboterarm mit einem langen, flexiblen Greifer, der am IPA gebaut wurde. Zum Erkennen der greifbaren Teile wurde ein Laserscanner verwendet, dessen Messdaten mithilfe eines ebenfalls am IPA entwickelten Software-Moduls aufbereitet wurden. Beim Erkennen der Teile, so Ledermann, könne auch auf eine Datenbank zurückgegriffen werden. Das Erstellen einer solchen Datenbank dauere etwa einen Tag, das Laden eine Sekunde. Derzeit braucht das System zum Scannen und Rechnen noch ungefähr zwölf Sekunden. Diese Zeit soll auf acht Sekunden reduziert werden. Auch sei der Scanner für kleine Teile noch zu ungenau.

Dieser Leichtbauarm von Kuka soll Handwerkern als dritte Hand bei Montagearbeiten unterstützen. Programmiert wird er über ein berührungsempfindliches Display und durch Vormachen der Bewegung.

Eine Arbeit, die bereits relativ häufig von Robotern ausgeführt wird, ist das Schweißen. Rainer Bischoff von der Firma Kuka berichtete von der Zusammenarbeit mit der Maschinenbau-Firma Treffler in Echsheim, die ungefähr 800 verschiedene Produkte in Losgrößen von 10 bis 100 herstellt. Hier wurde eine Roboterzelle für Schweißanwendungen eingerichtet, bei der die Bewegungen des Roboters wie auch des Drehkipptisches, auf dem das zu bearbeitende Werkstück befestigt ist, durch Vormachen programmiert werden. Als Programmierer fungiert hier der Prozessexperte. Diese Online-Programmierung könne in wenigen Minuten erfolgen, eine Offline-Programmierung auf Grundlage von CAD-Daten sogar in Sekunden. Bischoff zufolge verlief das Projekt sehr erfolgreich. Er zitierte den Firmenchef Paul Treffler mit den Worten: "Die Qualität der Werkstücke ist unschlagbar!" Die Preise hätten um zehn Prozent gesenkt werden können, bei gleicher Gewinnspanne.

Nicht mit Metall sondern mit Holz arbeitet der Schreinerei-Assistent, den Manfred Dresselhaus von der Firma Reis Robotics vorstellte. Beeindruckend auch die Größe des Partnerbetriebs, mit dem Reis den Einsatz des Roboters erprobte: Die Schreinerei Som in Michelstadt (Odenwald) beschäftigt lediglich fünf Mitarbeiter und fertigt Möbel überwiegend nach Kundenwunsch an. Es zeigte sich, dass selbst in einem so kleinen Betrieb Roboter sinnvoll eingesetzt werden können. Die Studie konzentrierte sich zunächst auf die Tätigkeiten Bohren, Fräsen und Lackieren. In einem Video zeigte Dresselhaus die Anfertigung einer Tischplatte mit Roboterhilfe. Verwendet wurde hierfür ein Reis-Roboterarm RV 20-16, der mit einem Adapter zum Befestigen verschiedener Schreiner-Werkzeuge ausgestattet wurde. Hinzu kam ein 3-D-Modeller (entwickelt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt) sowie eine 3-D-Kamera (vom IPA) zum Einscannen nicht digitalisierter Teile. Die Roboterführung erfolgte intuitiv mithilfe einer 6-D-Maus. Ein Skizzeneditor hilft, die auf Papier gezeichnete Form des zu fertigenden Teils in vom Computer lesbare Daten umzuwandeln.

Dresselhaus rechnet damit, dass Funktionen, die im Rahmen dieses Projekts entwickelt wurden, schon bald in die Steuerung von Reis-Robotern einfließen. Erste Pilotanlagen in kleineren und mittleren Unternehmen erwartet er in etwa fünf Jahren. Wann Roboter in solchen Betrieben gängige Produkte sind, wollte er nicht schätzen. Auf der Folie, die sein Computer auf die Leinwand projizierte, stand indessen die Zahl "8+ Jahre". (Hans-Arthur Marsiske) / (vbr)