So will die EU-Kommission Patentkriege besänftigen

Mit einer Verordnung sollen Probleme, die bei der Lizenzierung standardessenzieller Patente auftreten, behoben werden. Erste Reaktionen fallen konträr aus.

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Eine Männerhand präsentiert ein Phablet wie ein Serviertablett; darüber schwebt ein großer Kreis in dem das Wort "Patent" steht; rundherum 4 kleinere Kreise mit Symbolen: eine Waage, eine Checkmark, ein Siegel und eine Lupe über einer bedruckten Seite

(Bild: TierneyMJ/Shutterstock.com)

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Das Lizenzsystem für standardessenzielle Patente (SEP) sorgt immer wieder für Streit, etwa bei Standards für 5G oder vernetzte Autos Die EU-Kommission will viele dieser Zwiste vermeiden helfen. Dies geht aus einem geleakten Entwurf für eine Verordnung über solche gewerblichen Rechtsansprüche mit Breitenwirkung hervor.

Einer der Kernvorschläge lautet demnach, ein SEP-Register einzurichten. Darin eingetragene Schlüsselpatente sollen einer Prüfung unterzogen werden, ob sie wirklich entscheidend für einen Standard sind. Ferner ist geplant, von vornherein Gebührensätze für komplette technische Verfahren festzulegen und einen Streitbeilegungsmechanismus zu etablieren.

SEP spielen beispielsweise für Funktechnik mit 5G, WLAN und NFC, Audio- und Videokompression (MPEG), Datenformate (JPEG) sowie der Interoperabilität von Audio- und Videoanwendungen (HAVi) eine wichtige Rolle. Die Nutzer solcher Standards sind traditionell Hersteller von Telekommunikationsgeräten, Computern und Fernsehern, die international überall gleich funktionieren sollen. Mit dem Internet der Dinge (IoT) nutzt eine wachsende Zahl Akteure inklusive kleiner und mittlerer Unternehmen Standards mit SEPs, etwa rund ums vernetzte Fahren, Drohnen, Zahlungsterminals, Ortungsgeräte oder Smart Meter.

Die Inhaber standardessenzieller Patente sind angesichts deren weitgehenden Unvermeidbarkeit grundsätzlich verpflichtet, einem Interessenten eine Lizenz zu "fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen" (FRAND) zu geben. Umstritten ist immer wieder, wie diese Konditionen konkret ausfallen und wer geschützte Technik lizenzieren muss. Hält ein Inhaber eines SEPs eine vom Lizenznehmer angebotene Gebühr für zu niedrig oder verweigert letzterer eine Zahlung völlig, kann der Patentinhaber ein Gericht anrufen, um den Verkauf von Produkten zu untersagen, die die nicht lizenzierte Technik enthalten. Im Mobilfunksektor wird so seit vielen Jahren mit harten Bandagen ein Patentkrieg geführt, der auch auf die Automobilindustrie übergeschwappt ist und zu internationalen Verstimmungen führt.

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Zu den Problemen, die das SEP-Lizenzsystem betreffen, gehören laut dem Leak unzureichende Transparenz, FRAND-Bedingungen und -Lizenzen in der Wertschöpfungskette sowie die Nichtverfügbarkeit geeigneter Streitbeilegungsverfahren. All dies zusammen verringere die Fairness und Effizienz des Systems insgesamt und führe zu übermäßigen Verwaltungs- und Transaktionskosten. Es gehe daher darum, Wettbewerbsfähigkeit von EU-Firmen einschließlich Startups zu verbessern. Effiziente SEP-Lizenzierung könne auch die Entwicklung kritischer und digitaler Technik erleichtern und den Übergang der EU zu einer klimaneutralen Wirtschaft fördern. So seien viele einschlägige Standards wichtig für den Erfolg von Projekten in Bereichen wie intelligente Fertigung, Netze und Energie, Mobilität, Smart Citys und Landwirtschaft.

Umgesetzt werden sollen die Pläne vom EU-Amt für geistiges Eigentum (EUIPO) über ein neues Kompetenzzentrum. Es ist im Gegensatz zum Europäischen Patentamt (EPA) bei einer EU-Institution angesiedelt, Entscheidungen könnten vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüft werden. Das geplante Register soll eine "vertrauenswürdige Informationsquelle" über SEPs bilden. Ein Eintrag würde als Voraussetzung für die Geltendmachung von Patenten in Verletzungsverfahren sowie das Verlangen von Lizenzgebühren und potenziellem Schadenersatz dienen.

Ein SEP-Inhaber soll beantragen können, dass bis zu 100 essenzielle Patente von dem Zentrum auf ihre Wesentlichkeit geprüft werden. Das Ergebnis wäre zwar rechtlich nicht bindend, könnte aber für Verhandlungen genutzt werden. Ein ähnlicher "Hantei"-Service des Japanischen Patentamts wird laut dem Fachblog IPKat jedoch bislang nicht nachgefragt.

Ursprünglich wollte die Kommission den Entwurf am Mittwoch, dem Welttag des geistigen Eigentums, präsentieren. Der Leak führt zu heftigen Reaktionen, sodass sich das Vorhaben noch einmal verzögern könnte. Eine Gruppe von Verbänden aus der Auto-, App-Entwickler- und Smart-Energy-Branche rund um die Fair Standards Alliance begrüßt den Plan lautstark. Die Lobby IP Europe, der Konzerne wie Ericsson, Nokia, Orange, Panasonic und Qualcomm angehören, warnt hingegen, er schränke Immaterialgüterrechte ein und "untergräbt die Anreize für offene Innovation". Die Rechtswissenschaftler Enrico Bonadino und Dyuti Pandya sprechen von einem "Schritt in die richtige Richtung".

(ds)