Studie: Corona-Pandemie hat digitale Kluft zwischen Firmen verstärkt​

Die Covid-19 Pandemie wird oft als Booster für die digitale Transformation dargestellt. Das gilt laut neuer Forschung aber nicht für die gesamte Wirtschaft.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 5 Kommentare lesen
Young,Asian,Woman,Wearing,A,Hijab,Uses,Smartphone,And,Laptop

Arbeiten im Home Office war lange nicht selbstverständlich.

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 3 Min.

In einer neuen Studie haben Forscher des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB), des Weizenbaum-Instituts und der Humboldt-Universität das Zusammenspiel von Covid-19-Pandemie und Digitalisierung untersucht. Corona habe der digitalen Transformation einen Schub verliehen, ist oft zu hören. Das ist den Wissenschaftlern zufolge aber nur bedingt richtig. Nach ihren qualitativen und quantitativen Befunden hat die Pandemie auch "die ohnehin bestehenden Ungleichzeitigkeiten in der Digitalisierung zwischen Unternehmen verstärkt". Auf den Punkt gebracht: Sie habe die Kluft zwischen Digitalisierungsvorreitern und Nachzüglern noch vergrößert. Dies liege daran, dass Firmen spezifische Ausgangsbedingungen für die Vernetzung hätten und so unterschiedliche Digitalisierungspfade beschritten.

Für die Analyse haben die Forscher Daten von 34 Unternehmen in den sechs als relevant eingestuften Wirtschaftssektoren Automobilindustrie, Maschinenbau, Chemie, Logistik, Finanzdienstleistungen und Gesundheit untersucht. Dazu führten sie Interviews mit Experten aus Politik, Verbänden, Gewerkschaften und Forschung sowie eine daraus abgeleitete quantitative Umfrage anhand einer Zufallsstichprobe von 540 Firmen durch. Für das Wachstum der ausgemachten Kluft ist laut den jetzt als Weizenbaum Series #35 veröffentlichten Ergebnissen mitverantwortlich, dass vielschichtige Triebkräfte die Entscheidung für eine Technologieeinführung formen: "Vor allem benötigen Unternehmen eine Reihe von Ressourcen, um substantielle Digitalisierungsprojekte auf die Gleise zu setzen."

Zentral sind den Autoren zufolge dabei "kulturelle, technische, finanzielle, organisatorische und regulatorische Aspekte" wie die Akzeptanz elektronischer Signaturen. Dazu gehörten etwa Einstellungen von Management, Betriebs- oder Personalräten und Beschäftigten gegenüber Digitalisierungsmaßnahmen. Unternehmen, die bereits vor der Pandemie "Cloud-Infrastrukturen, Softwarepakete und mobile Hardwaregeräte im Einsatz hatten, konnten unmittelbar und größtenteils reibungslos auf mobile Arbeit und Virtualisierung anderer Tätigkeitsbereiche umstellen". Die meisten Firmen hätten aber – gerade angesichts teilweiser Nachfrageeinbrüche und Marktveränderungen – keinen finanziellen Spielraum gehabt, "um kurzfristig ihre Investitionen in Technologien zu erhöhen". Profitiert hätten dagegen Betriebe, die bereits über relativ große IT-Abteilungen verfügten.

Generell hat die Pandemie laut den Resultaten vor allem "die Virtualisierung von Kommunikation und Interaktion" in Unternehmen vorangetrieben. An vorderster Stelle stand dabei die mobile Arbeit. Nahezu alle Beschäftigten der befragten Firmen, die PC-gestützte Bürotätigkeiten ausübten, konnten oder mussten während der Pandemie von zu Hause arbeiten. Der Anteil der Beschäftigten im Homeoffice variierte aber je nach Branche und Betrieb. Der Studie zufolge setzten vor allem Finanzdienstleister auf mobile Arbeit und rüsteten etwa mit dem Kauf weiterer Laptops und Kollaborationstools sowie erhöhten Serverkapazitäten auf. Zusätzliche Investitionen in die Automatisierung physischer Prozesse wie Robotik an Fließ- oder Paketbändern konnten die Forscher rund um die Pandemie dagegen nicht beobachten.

Die Wissenschaftler empfehlen grundsätzlich, "die digitale Transformation von Unternehmen und Gesellschaft als einen breitflächig angelegten, sozialen und ökologisch nachhaltigen Prozess zu fördern". Zugleich gelte es, die sozialen Innovationen hinter der Digitalisierung zu fördern, also etwa auf Teams mit Eigenverantwortung zu setzen. Mitbestimmung und Akzeptanz in Betrieben müssten gestärkt, neue Ansprüche an flexible Arbeitsweisen berücksichtigt werden. "Mit dem Aufstieg von Cloud-Services gewinnen Fragen rund um Datensicherheit und -eigentum erneut an Relevanz", heißt es weiter. Cloud-Anbieter schafften zudem neue Abhängigkeiten. Die Forscher raten daher insbesondere der Politik, "sich mit diesen neuen Machtverhältnissen auseinanderzusetzen" und dabei Standardisierung sowie Interoperabilität im Blick zu behalten.

(anm)