zurück zum Artikel

Münchner Wissenschaftler überwachen und reinigen Umwelt mit Robotern und Drohne

Tom Sperlich
SVan mit Robotern und Drohne am See

Der SVan dient als mobiler Hub, von dem aus die Roboter und die Drohne ferngesteuert die Umweltreinigung starten.

(Bild: Get Flashed Media)

Forscher der TU München haben es sich zum Ziel gesetzt, mit Robotern und Drohnen die Umwelt zu reinigen. Das geschieht ferngesteuert.

Lassen sich Anstrengungen des Menschen im Bereich Umwelt – etwa ihre Überwachung und Reinigung – mithilfe von Robotern, Künstlicher Intelligenz (KI) und Maschinen skalieren, effektiver gestalten? Forschende der Technischen Universität München (TUM) sind überzeugt davon und entwickeln deshalb im TUM Institut MIRMI (Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence) seit rund vier Jahren eine Technologieplattform für Umweltrobotik [1]. In einer ersten Realisierung lassen sich mit ihr bereits Roboter und Drohnen per Telepräsenz und direkt vor Ort steuern.

Weil Umweltroboter an vielen Orten benötigt werden, ist die Plattform mit ihren Robotern mobil in einem Hyundai Staria Van untergebracht. Die "Guardians", also Hüter, wie die Roboter und Drohnen am MIRMI genannt werden, nutzen dieses SVan (Synchroner Team-Roboter-Van) genannte Konzept und Fahrzeug als mobilen Hub und Ladestation für die Roboter. Er ist auch Steuer- und Kommandostand mit 5G-Mobilfunkanbindung sowie lokales Rechenzentrum ("Edge Computing") auf mehreren robusten Hochleistungsrechnern.

Mit an Bord des SVan befinden sich Quadrocopter-Flugdrohnen mit leistungsfähigen (Thermal-)Kameras, ein Unterwasser-Roboter und ein Land-Roboter auf vier Rädern. Beide Roboter verfügen ebenfalls über Kameras, diverse Sensoren und auch Greifarme, die vom SVan aus per Xbox-Controller oder via Tastatur gesteuert werden können.

An zwei Ausbaustufen ihrer Umweltrobotik arbeiten die Münchner Forscher derzeit: Die primär manuell gesteuerte Plattform funktioniert bereits als Steuerzentrale für Experten, die sich ortsunabhängig und bequem via Webbrowser auf die Roboter des SVan schalten und diese steuern können. So kann etwa ein auswärtiger Gewässerbiologe einen Umweltrobotik-Experten im SVan an einen See schicken, um mithilfe der Drohnen beispielsweise Schadstoffe oder Müll zu orten und von den Robotern einsammeln zu lassen oder um Messungen und Probensammlungen vorzunehmen. Diese Implementierung des Systems – Robotic-as-a-Service (RaaS) – arbeitet bereits recht zuverlässig als Prototyp, so Alexander Moortgat-Pick, MIRMI-Forscher und ausführender Leiter des Projekts.

Erprobt haben die Wissenschaftler das am Starnberger See, in und an dem die Wissenschaftler das System testen. Die Roboter fischen mit ihren Greifarmen etwa Müll aus dem See und räumen die Umgebung auf, so die Idee.

Für eine spätere Weiterentwicklung des heutigen Protoypen-Status arbeiten die MIRMI-Forscher an verschiedenen Ideen, wie ihre Guardians Müll in größerem Stil einsammeln könnten. Heute kann das in kleinerem Umfang bislang nur der Landroboter, der über eine Abstellfläche für einen Behälter verfügt, in den der Müll deponiert werden kann. Derzeit sei man vor allem auf die Situation an Seeufern fokussiert. Im Wasser kann der Tauchroboter mit seinem Gripper zwar auch kleinere Teile greifen, verfügt aber über kein Behältnis für eingesammelten Müll. Sobald größere leistungsfähigere Tauchroboter in das MIRMI-System integriert würden, könnte er etwa eine Schwimmplattform im Wasser mit gesammeltem Müll befüllen.

Ein ausgeklügeltes Abfallsammel- und -entsorgungssystem zu ihrem SVan-Konzept zu entwickeln, betrachten die MIRMI-Forscher allerdings nicht als ihre primäre Aufgabe. Sobald ihr System in ein paar Jahren produktiv ist und Müll in größeren Mengen aufgrund der Detektion ihrer Guardians anfallen sollte, würde man sicherlich mit einem Abfallentsorgungsunternehmen zusammenarbeiten.

Derzeit baut das MIRMI in einer zweiten Stufe weiter an seinem Telepräsenz-Betriebssystem für Roboter [2], speziell an einer allgemeinen Schnittstelle zu den jeweiligen APIs jedweder Roboter und passenden Maschinen, die diese dann auf Mausklick ins SVan-System integrieren soll. Einen Fokus richtet das MIRMI darauf, dass jeder Roboter eigene spezialisierte Fähigkeiten in das System einbringt, sie dabei auch zusammenarbeiten und sich gegenseitig ergänzen. Selbst die Einbindung anderer Maschinen und Infrastrukturen ist dem MIRMI ein mittelfristiges Anliegen. Mit der leicht zu bedienenden Mensch-Maschine-Schnittstelle ergibt das MIRMI-Konzept der Umweltrobotik am Ende dann überhaupt erst Sinn.

Das Ganze nennt sich "Multisystem-Telepräsenz", das bedeutet, dass ein Mensch am Controller nicht nur diverse Drohnen und Roboter zugleich bedienen kann. Sondern auch verschiedene Experten aus aller Welt können sich gleichzeitig in das Telepräsenz-System einloggen und die Systeme steuern oder für sie simultan eine Einsatzplanung auf einer Karte des jeweiligen Ortes durchführen. Damit dies alles reibungslos funktioniert, sind die TUM Forschenden daran, auch Techniken wie Digitale Zwillinge einzusetzen. "Mit unserer Plattform können wir völlig unterschiedliche Roboter quasi für jeden Menschen in der Welt einsetzbar machen", erläutert Daniel Dücker, der wissenschaftliche Leiter des Forschungsfelds Umweltrobotik am MIRMI. Das demokratisiere die Robotik, denn prinzipiell kann jeder – egal ob Biologe, Geologe oder Chemiker – auf die Roboter zugreifen.

Die Roboter sollen zukünftig auch zunehmend autonom agieren können – wobei es aber, so die Forschenden, eine komplette Autonomie letztlich gar nicht geben könne, "da die Aktionen der Roboter ursprünglich immer durch Anweisungen von Menschen ausgelöst werden", sagt Moortgat-Pick.

Die Optionen, die ein Experte für den Einsatz der Roboter hat, liegen quasi auf einer Entscheidungs-Skala: "Wo ist was los und was wird dort benötigt", so die Robotiker. "Interessant für unsere Entwicklungsarbeit ist die fließende Grenze von 'ich gebe alles vor' bis 'ich gebe fast nichts vor'", so Moortgat-Pick.

Darunter liegt, verkürzt gesagt, ein Schichtsystem von auf den Nutzer anpassbaren, flexiblen Regeln, das den Drohnen und Robotern Befugnisse und Beschränkungen vorgibt. Die entstehende flexible Telepräsenz wird in den stapelbaren Schichten jeweils durch KI ermöglicht, die die Autonomie der Roboter antreibt. Dabei bleibt der Guardian jederzeit kontrollierbar, auch in einem autonomen Einsatzmodus. Sobald ein Mensch es für nötig empfindet, kann er die Steuerung übernehmen.

Das mittelfristig Erwartbarste ist, dass das Umweltrobotik-System in einer Art Halbautonomie betrieben werden wird, so Moortgat-Pick. Flexible Reaktionen, je nach (Umwelt-)Lage der Dinge – "Robot Guardians, ein künstliches Immunsystem für unseren Planeten", lautet deshalb auch die Devise des MIRMI.

Sami Haddadin, TUM Professor und Direktor des MIRMI findet: "Unser Planet ist zu groß, dass der Mensch diese Aufgabe allein bewältigen kann. Wir brauchen maschinelle Unterstützung, um mit vielen der Herausforderungen fertig zu werden."

Das MIRMI arbeitet daher auch daran, dass der Einsatz eines SVan zwar vom Menschen initiiert, aber dann weitgehend autonom laufen kann, etwa beim turnusmäßigen Monitoring einer Landschaft oder eines Gewässers. Dabei nutzen die Quadrokopter die KI-Anwendungen des SVans, um etwa via Bilderkennungsalgorithmen Verschmutzungen in der Natur zu entdecken. Die Guardian-Kollegen werden dann automatisch informiert und sie können dann die Beseitigung vornehmen. Beim Auffinden von dubiosem Müll oder größeren, spezielleren Verunreinigungen setzt sich der SVan selbstständig mit entsprechenden Expertinnen und Experten in Verbindung. Bei Bedarf können diese weltweit per Internet kooperieren und die Roboter vor Ort nutzen. "Co-Rifting" nennen dies die Münchner Umweltrobotiker, wobei mit "riften" die Erzeugung eines gemeinsamen virtuellen Raums verteilter Individuen gemeint ist, die per Robotik an einer Aufgabe arbeiten.

Eine komplette Autonomie der Umweltrobotik wird zwar immer mal wieder von den MIRMI-Forschenden diskutiert, aber ob es jemals dazu kommt, bleibt offen. Zumindest wird bis dahin wohl noch einiges Wasser die Isar hinunterfließen.

Die Vision der Umweltrobotik-Forscher des MIRMI ist es, dass sich "kleine, aber unzählig viele autonome Drohnenflotten" ständig in der Luft befinden, so die Forscher. Die Drohnen überwachen permanent den Zustand der Umwelt und beordern bei einem Umweltvorfall automatisch passende Guardian-Roboter zum Einsatz. Falls sich auch ein menschlicher Experte mit dem Vorfall befassen muss, schlägt das System entsprechend Alarm. Operationszentralen wie der SVan fungieren dabei als technisches Drehkreuz und könnten autonom samt ihrer Robotikladung an den Einsatzort fahren.

Die massiven politischen Implikationen und gesellschaftlichen und technischen Herausforderungen, sei es allein nur der Datenschutz, sind den Wissenschaftlern bewusst. "Natürlich überwachen die Menschen dabei die Roboter – und nicht umgekehrt", so MIRMI-Forscherin und Entwicklerin von SVan Anna Adamczyk. Zweifelsfrei würde so ein System nicht für die Beobachtung des Menschen konzipiert, sondern fürs Monitoring der durch ihn begangenen Umweltverschmutzungen.

Jedenfalls ist für die Forschenden des MIRMI "das alles erst der Anfang". "Das Konzept des SVan ist in unendlich vielen Konstellationen einsetzbar", zeigt sich Sami Haddadin überzeugt. "Er bildet die Grundlage zur Entwicklung konkreter Anwendungen und neuer Dienstleistungen."

Das Projekt wird von Hyundai [3] und der Dobeneck Technologie Stiftung unterstützt und gefördert.

(olb [4])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9699569

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mirmi.tum.de/mirmi/forschung/projekte/svan/
[2] https://www.heise.de/thema/Roboter
[3] https://www.hyundai.com/eu/svan.html?utm_term=Hyundai%20SVan%20Project
[4] mailto:olb@heise.de