Europäischer Tag des Notrufs: Warum es nicht immer die 112 sein muss

Alle kennen die 112. Doch in vielen Fällen wird sie unnötigerweise gewählt. Oft kann der ärztliche Notdienst unter 116 117 helfen.

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Arzt erklärt etwas in einer Praxis. Auf dem Tisch liegt ein Stethoskop.

(Bild: Vladimir Sukhachev/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Allein in Deutschland gibt es jährlich 30 Millionen Notrufe, EU-weit sind es laut dem jüngsten Bericht der EU-Kommission 270 Millionen. Doch bei rund 20 Prozent aller Anrufe in der Rettungsleitstelle handelt es sich laut Kassenärztlicher Vereinigung Hamburg "um Fälle nicht lebensbedrohlicher Erkrankungen, die nicht zeitkritisch sind und im häuslichen Umfeld versorgt werden können". Rund 20 Prozent der Einsatzfahrten seien sogenannte "Fehlfahrten", bei denen Patienten nicht in ein Krankenhaus mitgenommen werden, bestätigt auch die AOK Sachsen-Anhalt gegenüber der dpa.

Eine Umfrage der dpa in Sachsen-Anhalt zufolge wurde der Notruf im vergangenen Jahr im Durchschnitt fast 25 Prozent häufiger angerufen als noch fünf Jahre zuvor. Dafür gebe es laut Leiterin des Fachbereichs Rettung bei der AOK-Krankenkasse, Jeanette Betz, verschiedene Gründe: Einerseits würden die Menschen in Sachsen-Anhalt immer älter. Die 112 solle nur bei Lebensgefahr angerufen werden, etwa bei Herzinfarkt, Schlaganfall oder schweren Unfällen. Sobald ein Rettungswagen erstmal hinausfahre, ist dieser gebunden, was im Falle weiterer Notfälle problematisch sein kann. "Wir wissen, dass das Anrufvolumen in den Leitstellen steigt und sehen auch mehr ausgelöste Einsätze", erklärte Betz gegenüber der dpa.

Teilweise seien Hausarztpraxen überlastet, gerade auf dem Land gebe es oft zu wenig, daher werde vermutlich häufiger die 112 angerufen, weiß der Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Sachsen-Anhalt, Carlhans Uhle, aus Erzählungen von seinen Rettungsteams. Für viele sei es außerdem schwer, den eigenen Gesundheitszustand richtig einzuschätzen. Uhle wies ebenfalls auf die Wichtigkeit der hausärztlichen Notrufnummer 116 117 hin. Im Zweifelsfall würde dort auf den Notdienst verwiesen.

Der Notdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen kann bei nicht lebensbedrohlichen Fällen helfen. Mit einer Kampagne will die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg zusammen mit der dortigen Feuerwehr die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116 117 bekannter machen und die Bevölkerung für die "richtige Nummer im richtigen Moment" zu sensibilisieren.

"116117 oder 112 – viele Menschen wissen nicht, welche Nummer sie wählen sollen, wenn sie akut medizinische Hilfe brauchen", sagt die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KV Hamburg, Caroline Roos. Der ärztliche Bereitschaftsdienst der KV (116117) ist dabei bei einem gesundheitlichen Problem relevant, mit dem man normalerweise zum Hausarzt gehen würde. Der Rettungsdienst der Feuerwehr – also die 112 – ist für einen lebensbedrohlichen Notfall gedacht.

Die Kampagne "116 117 oder 112 – Die richtige Nummer im richtigen Moment" sollte dabei für die richtige Nummer sensibilisieren. "Lebensbedrohlicher Notfall? Wähle den Notruf 112!", heißt es dabei unter anderem auf Plakaten und Stadtinformationstafeln in Hamburg.

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"Wer [...] ohne Not den Notruf wählt, bindet damit Ressourcen, auf die andere womöglich dringend angewiesen sind. Hier sind wir alle in der Verantwortung, uns mit den richtigen Ansprechpartnern und Telefonnummern vertraut zu machen", so Hamburgs Innensenator Andy Grote.

Erst kürzlich hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach Eckpunkte für die Notfallreform vorgelegt. Darin geht es auch darum, dass die Patientensteuerung mit der bundesweit einheitlichen notdienstliche Akutversorgung der KVen verbessert werden soll. Geplant ist, die Rufnummer für den ärztlichen Bereitschaftsdienst 116117 und die Rettungsstellen "flächendeckend digital" digital zu vernetzen und "die Übergabe von Hilfesuchenden einschließlich ihrer einmal erhobenen Daten" wechselseitig zu ermöglichen, um Notaufnahmen und Rettungsdienste nicht "zu verstopfen".

Im Dezember 2022 hatte die EU-Kommission ihre Mitgliedsstaaten aufgefordert, die nationalen Notrufabfragestellen mit den neuesten technologischen Entwicklungen aufzurüsten und Informationen über den Anruferstandort, den Zugang für Endnutzer mit Behinderungen und die Weiterleitung von Notrufen an die am besten geeigneten Notrufabfragestellen zu verbessern.

Ebenso sollten gemeinsame Interoperabilitätsanforderungen für Notruf-Apps ermittelt werden. Die ersten Umsetzungen erfolgten bereits, so kann Android beispielsweise im Notfall mehr Daten an die Leitstelle senden. Demnach ist es nicht mehr nur verpflichtend, dass Advanced Mobile Location seit März 2022 bei allen in der EU verkauften Smartphones integriert ist.

(mack)