"Gestatten, Seine Geilheit König Hodes, der Erfinder der Sexbombe"

"Flesh Gordon", trashkultige SF- und Sexfilm-Parodie – und Quelle der Inspiration für das US-Militär

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Dass keine Idee blöd genug ist, um nicht doch ernsthaft in Erwägung gezogen zu werden, zeigt sich dieser Tage wieder an einer "neuen" militärischen Entwicklung, der "Sexbombe". Womit nicht Marilyn Monroe gemeint ist. Die Idee dazu stammt interessanterweise aus einer Parodie der alten Kultserie "Flash Gordon".

"Make Love, Not War" – der Spruch der Hippies hat mit nun bekannt gewordenen Entwicklungen des US-Militärs eine ganz neue Bedeutung bekommen. Das Sunshine-Projekt veröffentlichte nämlich aus dem Jahr 1994 stammende und später auch in Schulungsunterlagen verwendete Papiere über chemische Kriegsführung, die sich mit der Forschung an nichttödlichen Chemiewaffen beschäftigen: Harassing, Annoying, and "Bad Guy" Identifying Chemicals, zu deutsch: Belästigende, nervende und "die Bösen" identifizierbar machende Chemikalien.

Eine Idee der Militärchemiker war es, Substanzen zu entwickeln, die – als Bombe über dem feindlichen Heer abgeworfen – jede Menge Viechszeugs, von stechenden und beißenden Insekten über Ratten und andere Nager bis zu Elefanten anlocken und aggressiv machen würde, sodass sie über die feindlichen Soldaten herfallen.

Freund oder Feind? Mund auf!

Eine weitere Idee war es, die feindlichen Soldaten in menschliche Stinkbomben zu verwandeln, die – auch wenn sie sich unter der Zivilbevölkerung verstecken sollten – an unangenehmem Körper- oder starkem Mundgeruch auffallen sollten.

Der größte Knaller der angedachten chemischen Kriegsführung wäre jedoch die "Sexbombe" geworden: Eine Chemikalie, die über den feindlichen Truppen abgeworfen, bei diesen starke Sexbedürfnisse – und zwar bevorzugt nach dem eigenen Geschlecht – wecken sollte, womit die Truppen nur noch "bedingt einsatzbereit" und viel mehr mit sich selbst beschäftigt gewesen wären. Es sollte auch die Moral der feindlichen Truppen untergraben – in doppelter Weise.

Wie wir heute wissen, ist solch chemische Nachhilfe gar nicht unbedingt notwendig – nur findet der Sex dann mitunter in den eigenen Reihen statt. Doch woher hatten die US-Militärforscher eigentlich eine solch völlig disziplinlose Idee?

Von den "Pornostrahlen" zur "Liebesbombe"

Aus einem 70er-Jahre-B-Movie! "Flesh Gordon" war eine Parodie des 30er-Jahre-Serienhelden "Flash Gordon", der die Erde von den Todesstrahlen des König Ming retten musste. In "Flesh Gordon" wurden diese Strahlen zu Pornostrahlen, durch die sofort alle Menschen übereinander herfallen, was auch zum Absturz des Flugzeugs führt, in dem sich der Held gerade aufhält.

Das Haus des Wissenschaftlers "Dr. Flexi Jerkoff" entstammt ohne Zweifel einer Modelleisenbahn…

Aus heutiger Sicht wirkt diese Parodie auf Sex- und Science-Fiction-Filme eher albern, zumal die Tricktechniken ziemlich trashig aussehen. Doch sollte ja die alte Serie aus den 30ern veräppelt werden, in der die Raumschiffe teils sichtbar an Bindfäden durch das Bild gezogen wurden und den Kultappeal eines "Angriff der Killertomaten" erreicht "Flesh Gordon" allemal. So hat das Raumschiff äußerlich Penisform, ist innen einem San-Franzisco-Cable-Car nachempfunden und wird mit einem VW-Zündschlüssel gestartet.

Bei dieser Bauform flutscht es nur so mit der Aerodynamik…

Das Remake von "Flash Gordon" von 1980 wurde durch den Soundtrack von Queen bekannt und bewirkte, dass über "Flesh Gordon" der Mantel des Vergessens gehängt wurde – die unter anderem von Dietmar Schönherr synchronisierte deutsche Version mit entsprechend angepassten Namen der Figuren (aus "King Wang" wurde beispielsweise "König Hodes") ist heute unauffindbar, nur die technisch bessere, doch durch zuviel "political correctness" nicht mehr so lustige 1991 gedrehte Fortsetzung "Flesh Gordon 2" lagert in den Kirch-Filmarchiven und wird hin und wieder weit nach Mitternacht in den Privatsendern der Pro7-Sat1-Gruppe ausgestrahlt.

Und es läuft und läuft und läuft…

In den USA ist jedoch auch das Original wieder erhältlich, als "Directors cut" auf DVD mit zuvor von der Zensur entfernten Teilen und Kommentar des Regisseurs, der erläutert, dass man durchaus mehr als Klamauk drehen wollte, doch der Film mit jeder Menge Problemen zu kämpfen hatte – ja es ist ein Wunder, dass am Ende überhaupt ein Film fertig wurde…

Das Original Flash Gordon entstand ebenso wie Buck Rogers, Superman & Co. als Superheld nach der großen Depression. Der Produzent und Co-Autor Howard Ziehm wollte eine zeitgemäße Version des Klassikers machen. Zeitgemäß war in den 70ern der Sexfilm, der in Deutschland mit Peinlichkeiten wie dem Jodeln in der Lederhose auf die Leinwand kam und in den USA außerhalb des Hardcore etliche teils urkomische Produkte hervorbrachte wie die unvergessenen Russ-Meyer-Filme. Also wurde der Weltraumheld versext.

Auch die Romantik kommt nicht zu kurz, wenn Prinzessin Leia in ihrem Schwanenraumschiff vor dem Mond vorbeizieht. Bei ET abgeguckt? Nein, umgekehrt – ET kam erst 1982…

Ziehm hatte in einer Rockband gespielt; als diese sich 1969 auflöste, gründete er mit deren Manager die Filmfirma "Graffitti Productions". Er war 29, der Manager 25, außer ein paar Home-Movies hatten sie keine Erfahrung, geschweige denn Ausbildung und nur 40 Dollar Kapital. Mit "Beaverlips", einem Stummfilm, in dem sich Mädchen nackt auf Betten räkelten, kam das Filmunternehmen jedoch bis 1970 in Schwung. Die Pornowelle startete dagegen erst 1971, zunächst als Aufklärungsfilme mit deutlicherer Sprache getarnt. Graffitti Productions machte mit und kaufte auch geeignete Kinos zur Vorführung der Filme an.

Mit dem zweiten Porno "Hollywood Blue" kommen die Prozesse: Ein Priester klagt wegen in den Film geschnittener Ausschnitte von ihm und Ravi Shankar über die unerlaubt verwendete Musik. Vom Urheberrecht hatten die Jungunternehmer keine Ahnung. Trotzdem blieb nach der Verurteilung noch Geld, zumal die beiden ersten Filme gut verkauft werden konnten und Kurzstreifen wöchentlich entstanden.

Die Chefamazone plagt ein Juckreiz…

"Flesh Gordon" sollte nun – angesichts der in dieser Filmart bislang unbekannten Special Effects – der bislang teuerste Pornostreifen werden. Und – ziemlich untypisch – eine echte Handlung bekommen. Pornoversionen bekannter Filme zu machen, war in dieser Zeit sehr gängig, auch wenn dies regelmäßig zu Prozessen führte und viele dieser Erzeugnisse deshalb heute auch nicht mehr gezeigt werden dürfen. Der Beginn von "Flesh Gordon" war ein glattes Plagiat des zweiten Flash-Gordon-Films "Flash Gordon's Trip to Mars" – damit dies nicht gar so auffiel, wurde noch eine einleitende Sequenz davor gesetzt. Andere Szenen enthalten einen – schwulen – Robin Hood und die Königin der Amazonen als Lesben-Domina.

Einige der Mitspieler brachte eigene Beiträge in den Film ein, so hatte Mike Hyatt, ein Filmstudent, an der Uni ein King-Kong-ähnliches Monster gebaut, das nun am Ende von "Flesh Gordon" verwendet werden konnte. Ein anderer brachte ein zweites Monster in den Film. Und dann waren noch die "Penissaurusse" zu animieren – doch von Tricktechnik hatte eigentlich keiner im Team wirklich Ahnung.

Robin Hood, der warme Krieger

Dann zog die wieder in Mode gekommene Droge Kokain ins Studio ein, ohne dass Ziehm es mitbekam oder etwas über die Folgen gewusst hätte.

Als sich herausstellte, dass Pornofilme zu riskant geworden waren und die Polizei auf Druck der Politik gegen die Pornografen verschärft vorging, wurde das Skript von Flesh Gordon auf Sexklamauk zurechtgestutzt. Während dem Dreh müssen die Chefs von "Graffitti Productions" sich der Polizei stellen und herausfinden, dass eine der Schauspielerinnen gefälschte Papiere hatte und noch minderjährig ist.

Emperor Wang zieht Leine…

Als Ziehm einige unfähige Mitarbeiter hinauswirft, wird er von der Polizei verhaftet und die bestehenden Filmfragmente werden beschlagnahmt. Um sie wiederzubekommen, müssen die Negative vorgeführt werden – was sie verkratzt – und alle zu heißen Szenen werden herausgeschnitten. Diese sind jedoch weniger als ein Prozent des Materials.

Nun ist durch die Prozesse das Geld aufgebraucht. "Deep Throat" ist herausgekommen und läuft erfolgreich in einem Kino von Graffitti Productions, doch ein Mitarbeiter schafft das Geld beiseite und verheimlicht den Chefs, dass der Film dort überhaupt läuft.

…und unsere Helden landen im Riesenklo!

Schließlich fehlt es noch an der Vertonung. Selbst Frank Zappa war der Film zu schräg. Inzwischen hatte der Film 500.000 Dollar gekostet. Doch am Ende legte er für einige Mitwirkende den Grundstein zu Karrieren, die zu "Begegnung der dritten Art" oder "Independence Day" führten. Dennis Muren – Special effects – bekam gar später Preise für seine Mitarbeit in Star Wars, Indiana Jones, Terminator, Jurrassic Park und viele andere Filme.

"Flesh Gordon" wurde Vorbild für andere Parodien bis zu "(T)Raumschiff Surprise" oder dem "Wixxer" und machte erotisch angehauchte Filme in normalen Kinos salonfähig – Pornos durften zuvor in den USA nur in ladenähnlichen Mini-Kinos mit weniger als 50 Sitzen gezeigt werden. Ebenso wie "Deep Throat" odert bei uns der kitschigen "Bilitis" wurde der Streifen zu einem "Muss" in jener Zeit, den man gesehen haben musste, auch wenn es so mancher nachher lieber für sich behielt.

Kein Stecher, sondern ein Bohrer…

Welche Wunderwaffe aus "Flesh Gordon" wird das Pentagon nun als nächstes erforschen lassen? Das fliegende Untertassen zermalmende gezahnte Tor? Die Vergewaltigungsroboter mit den Bohrern zwischen den Beinen? Oder gar "The Royal Flush", das Riesen-WC, mit dem ganze Armeen in den Orkus gespült werden könnten? Fortsetzung folgt...